Eine alte Weisheit besagt, dass der Mensch am besten bei den drei K’s lernt: Krankheit, Konflikt und Krise. Solche Situationen sind geeignet, Komfortzonen aufzulösen und eine kritische Lernbereitschaft zu erzeugen. Aber ist diese Form des Lernens für Unternehmen anstrebsam? Also die Mitarbeiter in eine Krisensituation bringen, ein Klima im Unternehmen zu schaffen, in dem Konflikte vorprogrammiert sind. Einen hohen Krankheitsstand als positiv ansehen?
Sie werden die Antwort kennen. Und so möchte ich Ihnen gerne eine andere Form des Lernens vorstellen, die dafür sorgen kann, dass die Mitarbeiter und Führungskräfte in Ihrem Unternehmen mit erhobenen Kopf und aktiviertem Hirn ihrer Arbeit nachgehen. Ich möchte Ihnen von der Kunst des Schlaulenzens und der Erotik der Langsamkeit erzählen.
Potenzialverschwendung in Unternehmen
Jeden Tag werfen Entscheider Geld aus dem Fenster, weil sie die Potenziale in ihrem Unternehmen nicht richtig nutzen. Sie vergeuden einen Schatz, und dieser Schatz ist die Kreativität und die Energie der Menschen in ihrem Unternehmen.
Aktuelle Studien zeigen, dass sich Mitarbeiter immer weniger für das Unter- nehmen engagieren, für das und in dem sie arbeiten. Sie gehen in die innere Kündigung. Die Zahlen sind alarmierend: Die betriebswirtschaftlichen Verluste im Unternehmen dürften bei so einer geringen Engagementquote bei rund 50 % der menschlichen Leistung und Produktivkraft liegen.
Das ist fatal. Denn in einer dynamischen und komplexen Unternehmenswelt geht es darum, die Fähigkeiten der Mitarbeitenden so tief wie möglich zu aktivieren und damit wirklich Wert zu schöpfen – und das gelingt nicht, wenn die Mitarbeiter sich vom Unternehmen entfernen. So verschwenden die Unternehmen die Potenziale der Mitarbeiter. Und das ist keine Haltung, die gegenüber den Menschen im Betrieb Wertschätzung ausdrückt
Schaffen Sie Raum fürs Schlaulenzen
Potenziale brauchen Wertschätzung und immer auch den Raum, um sich zu entfalten. Wenn Menschen eingeengt sind, empfinden sie das oft auf den ersten Blick als nicht schlimm. Denn so sind sie es ja meistens gewohnt. Aber denken Sie mal an einen Bäcker, der jeden Tag um vier Uhr aufstehen muss, um die obligatorische Brötchensorte zu backen. Immer so, wie es der Backstubenmeister seit Jahren will. Doch womöglich steckt in dem Bäcker ein kreativer Freigeist und ein unerkannter Gourmet, der ganz neue Brötchenrezepte erfinden würde, wenn er Raum hätte?
Erkennen die Entscheider in den Unternehmen wertschätzend an, dass die Mitarbeiter die Fähigkeiten, die Kreativität, das Potenzial ins sich haben, um positiv im Unternehmen zu wirken, ist das ein erster Schritt: Es braucht Vertrauen in die Menschen mit ihren unfassbar vielfältigen Potenzialen.
Mißtrauen, das Gängeln der Menschen, weil geglaubt wird, sie müssten mit Regeln, Organigrammen, Hierarchien auf Spur gebracht werden, führen zu der oben skizzierten Entwicklung, dass immer mehr Menschen sich innerlich aus den Unternehmen verabschieden.
Aber damit die Mitarbeitenden partizipieren, kooperieren und koordinieren können – und vor allem auch wollen, benötigen Sie all ihre Fähigkeiten: Es gilt, sie in ihrer Entwicklung zu fördern, Raum für Entwicklung zu schaffen – Sie in der Kunst des Schlaulenzens zu lehren. Was ich damit meine?
Die Kunst des Schlaulenzens
Schlaulenzen ist nicht nur einfach ein Wort, ein neuer Begriff. Es ist eine Grundhaltung, eine Art Vorgehensweise, eine Kunst an sich.
Um Schlaulenzen zu verstehen, denken Sie bitte zunächst an den „Lenz“, den Frühling: Sie gehen in eine wertvolle Zeit hinein, lassen den Winter, Kälte und Kargheit hinter sich. Lenzen ist die Zeit und der Weg zu einer neuen Zeitqualität. „Lenzen“ ist aber auch ein Begriff, den Sie aus der Schifffahrt kennen. Diese Art des Lenzens macht man dort mit Lenzpumpen. Diese pumpen nicht den Winter raus und den Frühling rein, sondern das schwere Wasser raus und die leichte Luft hinein. Das dient dem Auftrieb, der Schwimmleistung und der Stabilisierung des Schiffes.
Lenzen passt somit überaus gut zu den Spannungsfeldern aus Schnelligkeit und Langsamkeit, Hektik und Ruhe, Arbeiten und Besinnen, Schaffen und Bewundern, Nutzen und Forschen.
Und so bedeutet Schlaulenzen, dass ich mir Ruhe und Abstand verschaffe, um Schlaues zu denken. Auf diese Weise erkenne ich Zusammenhänge und damit Ursachen – und erschließe mir daraus neue Denkräume. Ich taste mich unbedarft in bisher ungedachtes Neuland. Nur so gelingt es mir, schlauer zu handeln, gezielt und mutig Schlaues zu tun. Oder auch „Dummes“ zu lassen.
Schlaulenzen bedeutet auch, Kontext und Perspektive bewusst verändern. Mit Ruhe und Abstand eigene Ideen wahrnehmen. Die eigenen Ressourcen erkennen und sie bewusst einsetzen. Mehr-Wert schöpfen durch entspanntes und bewusstes Lassen. Und vor allem: die Erotik der Langsamkeit genießen und schließlich seelenruhig die gewohnten Muster brechen.
Wenn es den Menschen in den Unternehmen gelingt, auf eine andere Weise durchs Leben zu gehen, Privatleben und Arbeitsleben durch eine andere Brille zu sehen, dann sind sie auf einer Reise zu ihren verborgenen Potenzialen.
Die Kunst des Schlaulenzen lässt Sie die Erotik der Langsamkeit entdecken – und das ist auch für den Erfolg der Unternehmer ein spannender Ansatz.
Die Erotik der Langsamkeit für den Unternehmenserfolg
Schneller, schneller – und am besten noch schneller. Das Laufrad unseres Alltags hat ordentlich Tempo. Und der Reiz der Geschwindigkeit wird uns auch gerne nahegelegt. Schnelle Autos, schnelle Flüge, Züge … Schnelle Liebschaften. Zack, schnell gelikt, entlikt. Alles live, in Echtzeit.
Dem möchte ich die Erotik der Langsamkeit entgegenhalten.
Der Begriff Erotik löst aufgrund seiner gewohnten Verwendung sofort Ge- danken und Bilder in Richtung Sexualität aus. Das ist schade. Denn der Be- griff meint sehr viel mehr. Eine Reduktion auf Sex würde ihm nicht gerecht.
Erotik ist das Erleben einer vitalisierenden Kraft, die den Menschen ganzheitlich erfasst und alle Dimensionen seines Seins ergreift. Erotische Spannung hat Auswirkungen auf den Körper, der wie elektrisiert erlebt wird. Diese Spannung wirkt auf die Psyche, die Kräfte mobilisiert und neue Lebenslust entfaltet. Leidenschaft wird sichtbar. Sie steuert den Geist, und das führt zu einer Intensivierung von Interesse, Neugier, Motivation und letztendlich auch zu einer verstärkten Entscheidungskraft. Die Energie der Erotik entwickelt sich aus dem Spannungsfeld von Anziehung und trennender Distanz. Etwas, das wir nicht haben können, jedenfalls nicht sofort, reizt uns, stille Bedürfnisse werden geweckt. Wir wollen es haben oder erreichen. Es bewegt uns. Die vermeintliche Unerreichbarkeit weckt unsere kreativen Potenziale.
Eine Erotik der Langsamkeit ist demnach ein spürbares und vitalisierendes Spannungsfeld zwischen zwei Polen. Solche Spannungspole können einerseits Dynamik und Hektik zum Gegenpol der Ruhe und Pause sein, oder auch die Komplexität verschiedener Situationen zur Einfachheit des Nichtstuns und Nichtsehens. Bestimmt hat auch das Zusammenspiel von sinnhaft und sinnlos zuweilen seine spannungsvollen Reize. Manchmal macht es eben Spaß, etwas Sinnloses, aber Lustiges zu tun. Die Prozesse vom einen zum anderen Zustand, das sind die belebenden Momente. Und weil es für uns, für so viele, so ungewohnt ist, Dinge einfach mal langsam zu machen und die Qualitäten der Langsamkeit zu erkennen und zu genießen, steckt in der Umsetzung eine Art erotische, sprich vitalisierende Brisanz. Die Brisanz des Ungewohnten, des Unkonventionellen, vielleicht des Unerlaubten.
Solch eine spannungsvolle Erotik des Lebens erzeugt Energie und Kreativität pur.
Das neue Mindset des Schlaulenzens ermöglicht Ihnen die Vitalisierung der Potenziale der Menschen in Ihrem Unternehmen – durch die Spannungen der Übergänge und der anschließenden Nutzung der neu geschaffenen Freiräume.
Echte Wertschöpfung durch die Aktivierung menschlicher Potenziale gelingt also nur durch Zeit-Raum für Ideen und überlegtes, pointiertes Handeln: bedacht, das Richtige richtig zu tun. Ein spannender Lernprozess für alle Beteiligten.
Wenn es Unternehmen also gelingt, eine Kultur dieser Bedachtsamkeit zu schaffen, dann verlieren sie nicht mehr die Menschen – und erlangen somit alle Kreativität, um in Zukunft auf den Märkten erfolgreich zu sein. Und dieser Gedanke hat doch eine gewisse Sexiness.