Sicher haben Sie es auch gelesen oder gehört: Vor Kurzem hat Daimler die Öffentlichkeit mit der Meldung überrascht, dass der Konzern einen deutlichen Gewinnrückgang erwartet. Wenn solche Nachrichten von großen Unternehmen bekannt werden, denken alle sofort an eine globale Krise und schauen sich ängstlich um. Dabei können Krisen der Potenzialbooster schlechthin sein – und zwar für alle Seiten …

Krisen als persönlicher Weckruf

Eine alte Weisheit besagt, dass der Mensch am besten bei den drei K’s lernt: Krankheit, Konflikt und Krise. Solche Situationen sind geeignet, Komfortzonen aufzulösen und eine kritische Lernbereitschaft zu erzeugen. Wenn Menschen in eine Krise geraten, fangen sie an, sich zu bewegen – die Ängstlichen suchen sich einen Unterschlupf, die Mutigen aber beginnen, zu gestalten. Die Zaudernden erkennen zum ersten Mal, zu welcher Kategorie sie gehören.

Eine der einschneidendsten Krisen meiner beruflichen Laufbahn war, als mein Arbeitgeber eine schwere Zeit hatte und ich als  Personalverantwortlicher viele Mitarbeiter entlassen musste. Natürlich war es für alle Beteiligten ein harter und emotionaler Prozess. Als die Sache für viele klar war, gelang es ihnen, sich schnell auf die Situation einzustellen. Einige von den Betroffenen waren auf den ersten Blick nicht kündbar: Sie empfanden die Lage für sich persönlich deshalb zunächst gar nicht als Krise. Und ich muss sagen – auch wenn es merkwürdig klingt – leider. Denn sie verbauten sich damit die Chance, aus der Not eine Tugend zu machen, sich neu auszurichten und ihrem Leben eine neue Dimension zu geben. Das Unternehmen hätte sie dabei sogar neben einer guten Abfindung vor allem mit Beratung und gezieltem Coaching unterstützt.

Ich sah es deshalb als meine Aufgabe, ihnen zu helfen, die Krise zu realisieren. Das war meine Art, mit dieser Krisensituation umzugehen.

Krisen als Potenzialbooster

Ich erklärte jedem der Betroffenen in einem ruhigen, sachlichen Gespräch, warum ihnen das Unternehmen die Kündigung aussprechen wird und  erläuterte vor allem, dass es ihr gutes Recht sei, dagegen zu klagen, und auf welchen Ablauf und welche Dauer des Verfahrens sie sich dabei einstellen müssen. Gleichzeitig vermittelte ich diesen Mitarbeitern: „Wir müssen uns aber nicht bekämpfen, sondern ihr könnt euch neu ausrichten und wir helfen euch dabei.“

Viele sind nach dem Gespräch tatsächlich rausgegangen und haben sich in eine persönliche Lernzone gewagt. Sie kennen das Modell sicher: Die Lernzone liegt außerhalb der Routinen und der Sicherheit gebenden Gewohnten. Das Grandiose an diesem Bereich ist, dort können Sie Ihr Potenzial entdecken, sich entwickeln und wachsen. Noch weiter draußen geht die Lernzone in die Panikzone über: Dort agieren Sie nur noch im Alarmmodus und greifen auf alte Muster zurück.

Das Tolle ist: Jeder Mensch hat eine ganze Reihe von Potenzialen und Kompetenzen. Die meisten sind uns gar nicht bewusst. In einer Krise aktivieren wir unsere Potenziale jedoch, ganz einfach, weil wir müssen – sie wirkt wie ein Potenzialbooster. In dieser Situation trennen Sie sich auch auf einmal ganz schnell von eingefahrenen Regeln und verkrusteten Strukturen, was in ruhigen Zeiten unmöglich schien. Und das gilt nicht nur für Menschen, sondern auch für Unternehmen …

Krisen als Unternehmens-Weckruf

Auch für Firmen können Krisenzeiten sehr heilsam sein: Plötzlich ist allen klar, dass sie etwas anders machen müssten, und überlegen, was das sein könnte. Auch in Unternehmen schlummern jede Menge Potenziale, die auf diese Weise geweckt werden können. Und manch ein „Potenzialinhaber“ gibt in diesen Zeiten erst richtig Gas, weil er einen neuen Sinn erkennt und dann echte Freude entwickelt, endlich sein Potenzial einsetzen zu können. Die Chance wird förmlich gespürt und intuitiv genutzt.

Allerdings sollten sich die Betriebe beeilen, sie auch zu lassen, denn „Potenzialinhaber“ sind in der Regel auch die, die leicht woanders hingehen können – und das auch tun.

Es ist ja nicht so, dass Krisen vom Himmel fallen: Meist vergeht eine gewisse Zeit von der ersten Ankündigung bis zum tatsächlichen Eintreffen. Das ist genau das Zeitfenster, das den Unternehmen bleibt, um zu reagieren und in die Lernzone zu gehen, um die eigenen Potenziale zu entdecken und zu nutzen.

In diesem Sinne nutzt hoffentlich auch Daimler seine aktuelle Krise!

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