Während wir in unendlichen Häppchen auf die alte Welt warten und in der Zwischenzeit improvisieren wie die Weltmeister haben wir ein kollektives Rennen begonnen. Zum Beispiel ein Rennen, um die verschleppte Digitalisierung aufzuholen. Dann packen wir zu dieser animierten Aufholjagt womöglich noch die tradierte sowie die moderne Welt in ein dickes Transformationsprojekt.
„Ich muss doch etwas tun. Weil um mich herum alles danach schreit, mich treibt und verrückt macht.“
Langstreckenlauf – mit Hürden, Gewichten und ohne erkennbares Ziel
Anfangs wurde die Krise gemanaged, so wie wir üblicherweise an Projekte herangehen – anpacken und organisieren – Augen zu und durch. Darin haben wir alle doch irgendwie Übung.
Mit Anpackertum und Zuversicht gingen wir vor Monaten die Krise an. Wir improvisierten und nutzen spontane Kreativität. Wir waren überrascht und fast schon beseelt, wenn wir die sonst stillen Mitarbeiter auf einmal kreativ und veränderungsbereit sahen; wir freuten uns, dass Technik auch zu Hause funktioniert. Viele, ja eigentlich alle, packten mit an wo sie konnten.
Die ersten kritischen Blicke Richtung Zukunft zeigten jedoch, dass Erträge in Gefahr geraten sowie finanzielle Ressourcen schmelzen können wie ein Eis in der Sonne. Genau Sonne, die und ein lockerer Sommer haben uns alle erst einmal abgelenkt. Bei vielen Unternehmen entstand sogar eine Art Aufbruchstimmung. Auf einmal kamen die neu bestellten, tollen Laptops, auf die man in den Vorjahren vergeblich wartete. Viele hatten nun auch schon erlebt, wie witzig Video-Meetings sein können. „Wahnsinn, wie das funktioniert…“. Eine kleine Welle der Euphorie, eine Art Start-Up-Feeling, mischte sich unter die Sorgen. Diese ersten Hauruck-Maßnahmen haben aber auch gekostet, nämlich Geld, Zeit und Nerven. Nun wurde klar, Digitalisierung ist kein Projektchen und es ist nicht allein mit neuen Laptops getan.
Die grundsätzlich optimistische Laune des Sommers kaschierte die viele und ungewohnte Arbeit aus Abwarten, Improvisieren und Kümmern noch ein wenig. Mehr und mehr begann die Zuversicht sowie die Ressourcen zu schmelzen.
Wenn am Ende von Geld und Energie das Ende der Krise nicht in Sicht ist
Bei vielen Unternehmen ist doch so, dass am Ende eines Jahres mit Stolz auf das Geleistete und noch lieber auf die Ergebnisse geschaut wird. So war das in diesem Jahr bei den meisten Unternehmen auch. Alle waren stolz, es wurde ja enorm viel geschafft, und zwar eine Leistung, die zu Beginn des Jahres 2020 in keiner Zielvereinbarung stand.
So gerne hätte die Firmenleitung, hätten die Führungskräfte den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern einen konkreten, guten und machbaren Ausblick für das Jahr 2021 und die Zukunft gegeben. Das ist doch gewohnte Managementpraxis, das ist doch die Rolle als Manager:in, als Entscheider:in, als Unternehmer:in. Zielklarheit und Machbarkeit sind doch die Grundelemente für ein stabiles Management – so der tief verwurzelte Glaubenssatz.
Allmählich spüren wir, dass wir in einer Zwickmühle stecken.
Die Zwickmühle des Machens
Wir sehen das Ende nicht. Wir haben schon viel in Zeit, Geld und Technik investiert. Wir haben Mitarbeiter:innen gelobt, wir waren großzügig, wenn möglich. Wir haben sie so gut es geht informiert, an sie appelliert, viele Sorgen gehört und versucht zu zerstreuen und zu stabilisieren. Wir kümmern uns seti Wochen darum, dass die neue Technik auch funktioniert. Die mutigen Vorreiter:innen werden allerdings zunehemend zu einer Art informellen Supportabteilung. Je tiefer wir in die Welt von Technik, Digitalisierung und Automatisierung eintauchen, desto mehr Informationen, Tipps, Tools bekommen wir. Die Kalender werden zunehmend mit Video-Meetings voll gepfropft. Wer braucht schon Pausen und Bewegung?
Das ist, als ob wir die Dose der Pandora, also die Technik-Tool-Kiste in der Pandemie, geöffnet haben. Wir werden im digitalen Hype immer weiter getrieben. Unsere Arbeitswelt wird immer komplexer, so dass wir ab einem bestimmten Punkt allmählich Panik bekommen – „…ich verliere den Anschluss, ich bin ‚zu doof‘ dafür…“
Wie gehen wir damit im Management um? Viele Themen – ein Gesamtprojekt….?
„Alles mal sichtbar machen, die verschiedenen Themen, Ideen… sortieren, priorisieren, alles auf ein großes Ziel ausrichten. Ach ja, die Menschen müssen wir auch mitnehmen! Wir brauchen ein Transformations-Projekt Zukunft,mit Agil und allem Drum und Dran. So geht Management, so behalten wir die Kontrolle…“
Leider, leider. Je mehr wir machen, desto mehr kommt noch oben drauf, desto mehr haben wir das Gefühl, wir sind nicht mehr Herr oder Frau der Lage.
Und genau so machen wir uns kaputt. Wie ein Maulwurf graben und graben wir, immer tiefer ins dunkle Loch, obwohl wir eigentlich nach oben wollen – an die frische Luft.
Wachsende Komplexität, stürmische Welt, Druck von allen Seiten, zunehmende Erschöpfung, alles schon ausprobiert, interne und externe Treiber – und einfach zu wenig ich.
Management-Akupunktur
Also – am besten erst einmal raus aus dem Geflecht und Gewühl, raus nach draußen. Es ist höchste Zeit für frische Luft und Bewegung. Dazu ein passender Weg sowie eine passende Laufbegleitung, und dann alles mal rauslassen, ablassen, gehend verarbeiten – schon fließt spürbar neue Energie. Laufen ermöglicht Lenzen, so dass mit neuem Abstand die wesentlichen Punkte und Knoten für Lösungen erkennbar werden. Dann ist es nicht zu verhindern, diese neuralgischen Punkte mutig zu lösen.